19. Oktober 2010 Die hohen Mauern, der Stacheldraht und die vergitterten Fenster wirken nicht sehr einladend und keiner der Bewohner ist freiwillig hier. Die Rede ist von der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV, besser bekannt als Gustav-Radbruch-Haus. Gerne wird die 1955 eröffnete Haftanstalt für Männer mit dem Stadtteil Preungesheim identifiziert, doch wissen nur wenige Ortsansässige wie es an der Obereren Kreuzäckerstraße 8 tatsächlich zugeht. Auf Einladung von Anstaltsleiter Uwe Röhrig konnten sich die Mitglieder des Ortsbeirates 10, allen voran Ortsvorsteher Robert Lange, jetzt ein Bild vom Leben in der JVA IV machen. Bedenken der Stadtteilpolitiker, sie könnten die Privatsphäre der Gefangenen stören, wurden schnell ausgeräumt. Die Insassen freuten sich über das Interesse der Bürgervertreter und öffneten für sie sogar ihre Hafträume, wie man die einstigen Gefängniszellen heute nennt. Die meisten der 404 Gefangenen, 247 im geschlossenen, 157 im offenen Vollzug, teilen sich zu zweit einen Raum. Innerhalb der verschiedenen Häuser können sich die Insassen frei bewegen. Nur wenige Straftäter sind auf Grund eines erhöhten Gewaltpotentials oder wegen Drogenproblemen in abgeschlossenen Einzelräumen untergebracht. Im Durchschnitt verbringen die Häftlinge 9 Monate in der JVA IV. Für langfristig angelegte Ausbildungsgänge zu wenig Zeit. Dennoch steht längst nicht mehr die Verwahrung im Vordergrund, sondern die Vorbereitung auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit. Durch das ab 1. November 2010 in Kraft tretende neue Hessische Strafvollzugsgesetz wird diese Aufgabe noch stärker betont. Neben psychologischer Unterstützung und arbeitstherapeutischen Maßnahmen in der anstaltseigenen Schreinerei und Gärtnerei werden zahlreiche praktische Seminare zur Vorbereitung auf die Job- und Wohnungssuche, zum Umgang mit Behörden oder zur Schuldenbewältigung angeboten. Ergänzt werden diese sogenannten Module bei Bedarf durch Deutschkurse oder Computerlehrgänge. Für Verkehrssünder, die sogar bis zu 24 Monaten Haft in Preungesheim verbringen können, gibt es Verkehrsseminare und Kurse zur Vorbereitung auf die Medizinisch-Psychologische Prüfung. In zwei Unternehmerbetrieben, die für die freie Wirtschaft Papiertüten und Schraubenbänder herstellen, können Gefangene einen "normalen" Tagesablauf üben. Für Abwechslung im Alltag sorgen Sportangebote im eigenen Fitnessstudio und kulturelle Veranstaltungen wie Theateraufführungen oder Konzerte. Um den Übergang zwischen "Drinnen" und "Draußen" möglichst reibungslos zu gestalten, planen Uwe Röhrig und sein Stellvertreter Klaus -Dieter Vogt künftig ein Mentorensystem. Ehrenamtliche Helfer, die einzelne Haftentlassene bei ihren ersten Schritten begleiten möchten, können sich schon jetzt melden.
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